Ausführliche Chronik
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1743 [ Nach oben ] |
Beginn der Freimaurerei im Orient Marburg mit der Loge "Zu den drey Löwen", ab 1772 "Zum gekrönten Löwen" genannt.
Die erste Marburger Freimaurerloge wurde am 13. April 1743 mit dem Namen "Zu den drey Löwen" gegründet. Sie war die erste Tochterloge der bis zum heutigen Tag bestehenden Freimaurerloge "Zur Einigkeit" in Frankfurt am Main und damit eine der ältesten deutschen Logen überhaupt. Am 7. Juli 1767 ist sie in die Matrikel der Großloge von London als "At the three Lions held at Marlborough in Hassia" eingetragen worden. Am 22. September 1772 schloß sie sich der damals aufgekommenen Obedienz der "Strikten Observanz" an und nannte sich seitdem "Zum gekrönten Löwen". Um Umfeld dieser Loge entstanden noch die Hochgrad-Logen "Bethlehem" im Jahr 1766 und "Sionitin zu den drey Löwen" im Jahr 1770, über deren Wirken zur Zeit keine weiteren Informationen zu finden sind. |
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1767 [ Nach oben ] |
Winkelloge "Zu den drey Rosen"
Gründung einer konkurrierenden Loge im Jahr 1767 unter dem Namen "Zu den drey Rosen". Die von der Provinzialloge "La Constance" zu Maastricht zum 14. September 1767 ausgestellte Konstitutionsurkunde ist heute noch vorhanden. Dieser Loge war kein längerfristiger Erfolg und Bestand beschieden. |
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1793 [ Nach oben ] |
Erstes Verbot der Freimaurerei durch Landgraf Wilhelm IX.
Ihr vorläufiges Ende fand die Loge "Zum gekrönten Löwen" zum Jahreswechsel 1793/94 aufgrund eines Edikts des Landgrafen Wilhelm IX. vom 8. November 1793, der – wohl aus Angst vor den aufkommenden Illuminaten – jede freimaurerische Tätigkeit in der Landgrafschaft verbot und unter Strafe stellte. Wiederzulassungsversuche im 1803 entstandenen Kurfürstentum Hessen blieben erfolglos. |
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1810 - 1812 [ Nach oben ] |
Neuanfang unter König Jérôme Bonaparte – Loge "Marc Aurel zum flammenden Stern"
Einen Neuanfang machten dann einige übriggebliebene und neue Freimaurer in der Regierungszeit des Königs Jérôme Bonaparte, der in Kassel dem zwischen 1807 und 1813 bestehenden Königreich Westphalen vorstand: Sie gründeten 1810 eine neue Loge in Marburg, die sie zunächst als unabhängige Einrichtung führen wollten. Da eine Zulassung von den Kasseler Behörden aber von der Mitgliedschaft in der "Grande Loge de Westphalie" abhängig gemacht wurde, konnte sie erst am 21. März 1812 offiziell als Tochterloge der "Grande Loge" rekonstituiert werden. Nachdem das hessische Wappentier, der Löwe, als Namensgeber unter den neuen politischen Verhältnissen nicht mehr geeignet erschien, wurde die Loge – der sich auf die römische Antike beziehenden Selbstdarstellung des Napoleonischen Regimes durchaus folgend – nunmehr "Marc Aurel zum flammenden Stern" genannt.
Nach der Rückkehr des Kurfürsten Wilhelm I. und der Wiederherstellung des hessischen Staates 1813 ist es gelungen, den Landesherrn dazu zu bewegen, das Patronat über die Freimaurerei zu übernehmen und die Gründung einer "Großen Provinzialloge von Kurhessen" der preußischen "Großen Loge ‚Royal York’, genannt zur Freundschaft" als Dachorganisation der bestehenden kurhessischen Logen zuzulassen. Die Marburger Loge "Marc Aurel zum flammenden Stern" konnte auf Antrag vom 10. Dezember 1814 der Provinzialloge am 2. März 1815 als Tochterloge beitreten und so weiterbestehen. Aus der "Großen Provonzialloge" bildete sich dann im Jahre 1817 die souveräne "Große Mutterloge von Kurhessen". In dieser ersten Zeit haben sich die Brüder der Marburger Logen in wechselnden Räumen getroffen, um ihre rituellen Tempelarbeiten zu verrichten. Sehr wahrscheinlich ist, daß sie vor allem ihre privaten Räumlichkeiten nutzten, denn es war damals durchaus üblich, auch Dienstaufgaben in den Wohnräumen zu verrichten: Die Professoren der Universität – viele von ihnen Freimaurer – hielten mangels geeigneter Hörsäle selbst ihre Vorlesungen zu Hause. Nachdem sich die Loge am 27. Mai 1817 mit dem Begehren an den Kurfürsten gewandt hatte, ihr geeignete Räumlichkeiten für eine dauerhafte Nutzung zuzubilligen, wurden ihr 1819 entsprechende Flächen im unteren Stock des Westflügels des Deutschordenshaus-Gebäudes neben der Elisabeth-Kirche zugewiesen; die Räume sind zuvor sogar in einen angemessenen Zustand gebracht worden. Hier hatte nun die Loge ihren Sitz bis zum erneuten Ende im Jahr 1824.
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1824 [ Nach oben ] |
Zweites Verbot durch Kurfürst Wilhelm II
Der seit 1821 regierende neue Kurfürst Wilhelm II. verbot – durch Angst vor dem unzufriedenen Volk getrieben, sachlich aber völlig unberechtigt – am 19. Juli 1824 durch Kabinettsorder alle Logen. In die Logenräume im Deutschen Haus zog nun das Chemische Labor der Universität; heute nutzt sie der Fachbereich Geographie. |
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1867 - 1871 [ Nach oben ] |
Bruderzirkel und freimaurerische Vereinigung.
Bis die Freimaurerei in Marburg wieder Fuß fassen konnte, mußten fast viereinhalb Jahrzehnte vergehen. Erst als nach dem „Deutschen Krieg“ 1866 der kurhessische Staat aufgehört hatte zu existieren und Marburg mit Kurhessen an Preußen gefallen war, trafen sich seit 1867 einige der wenigen noch lebenden Freimaurer Marburgs und der Umgebung sowie zugezogene Freimaurer-Brüder unterschiedlicher Obedienzen zweiwöchentlich in einem „gedeckten Raum“, also unter Ausschluß der Öffentlichkeit, im Haus der Museumsgesellschaft Am Markt 19, genannt „Roter Hirsch“ (heute Hotel-Hostaria Del Castello). Im Jahr 1869 gründeten sie auf Betreiben des aus Aachen stammenden Baumeisters Heinrich Ferdinand Mergard eine freimaurerische Vereinigung, die die Wiedereinsetzung der Loge "Marc Aurel zum flammenden Stern" vorbereiten wollte. Durch den 1870 ausgebrochenen Deutsch-Französischen Krieg wurden die Bemühungen zunächst verzögert, das Vorhaben gelang am Ende aber doch.
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1871 [ Nach oben ] |
Wiedereinsetzung der Loge "Marc Aurel zum flammenden Stern" unter preußischer Hoheit.
Dem Antrag der Marburger freimaurerischen Vereinigung an die "Große National-Mutterloge ‚Zu den drei Weltkugeln’" in Berlin vom 9. Juni 1870 um Erteilung einer Konstitutionsurkunde zur Wiedereinsetzung der Loge "Marc Aurel zum flammenden Stern" wurde entsprochen, das Patent wurde mit Datum 20. September 1871 ausgestellt. Die feierliche Lichteinbringung in den Tempel erfolgte am 8. Oktober 1871: die Loge hatte Räumlichkeiten für ihre Tempelarbeiten im Zimmermannschen Haus Reitgasse 10 (heute Philipps-Apotheke) gefunden und angemietet. Mit diesem Datum lebte die Freimaurerei in Marburg nach mehr als 47 Jahren in der Dunkelheit wieder auf. – Die Konstituierung der neuen Loge "Marc Aurel zum flammenden Stern" war noch im souveränen Königreich Preußen geplant und beantragt worden und gelangte nun nach Gründung des neuen Deutschen Reichs, an dessen Spitze mit Kaiser Wilhelm I. ein Freimaurer stand, zur Vollendung.
Die Räumlichkeiten entsprachen recht bald nicht mehr den Anforderungen der Bruderschaft, waren dort doch zwanglose Treffen außerhalb der Tempelarbeiten und Feierlichkeiten, die das Logenleben mitprägen, nicht möglich. So ist es nicht verwunderlich, daß die Brüder die Gelegenheit ergriffen, im Jahr 1876 ein Haus zu erwerben, das durch seine Bauart beeindruckte, für die Zwecke der Loge geeignet war und bei dem auch der Kaufpreis nichts zu wünschen übrig ließ: das „Hochzeitshaus“ genannte Gebäude in der Nicolaistraße 3 (heute Grünes Kreuz). Der Einzug erfolgte am 29. März 1876. Die von der Loge nicht selbst genutzten Räumlichkeiten wurden vermietet.
Ein zunächst letzter Umzug erfolgte im Jahr 1912. Die Loge konnte ihr mittlerweile erhebliche Unterhaltssummen erforderndes altes Haus in der Nicolaistraße günstig an die Christengemeinschaft veräußern und dafür das für die damalige Zeit modern ausgestatte Haus eines Professors, der schon geraume Zeit zuvor nach Heidelberg berufen worden war und nach Amerika überzusiedeln gedachte, erwerben. Es liegt nahe an der Innenstadt am Barfüßer Tor und trägt die Hausnummer 14 (heute Burschenschaft „Normannia zu Leipzig“).
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Nach 1933 [ Nach oben ] |
Unterdrückung und Verbot der Freimaurerei durch die Nationalsozialisten
Als nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 allmählich alle freimaurerischen Arbeiten eingestellt werden mußten, wich auch das freimaurerische Licht in Marburg für viele Jahre der Dunkelheit. Der Versuch der "Großen National-Mutterloge ‚Zu den drei Weltkugeln’", mit Betonung ihrer „nationalen Gesinnung“ unter dem Namen "Nationaler Christlicher Orden Friedrich der Große" zu überleben, scheiterte mit dem endgültigen Verbot der Freimaurerei im nationalsozialistischen Staat am 17. August 1935 und der Beschlagnahmung allen freimaurerischen Vermögens. Das Logenhaus in der Barfüßerstraße und sein Inventar, darunter alle Logenakten, gingen verloren. Letzter Meister vom Stuhl der Marburger Loge "Marc Aurel zum flammenden Stern" war der Kaufmann Johannes Stumpf, ein in der Kommunalpolitik über Jahre engagierter und beliebter Marburger Bürger. |
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Nach 1945 [ Nach oben ] |
„Durststrecke“ in der Marburger Freimaurerei
Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg ist es den Freimaurern in Marburg zunächst nicht gelungen, wieder eine Loge aufzurichten. Kasseler Brüder hatten einen Neuanfang zu Beginn der 1950er Jahre versucht, ganz persönliche Entscheidungen einzelner beteiligter Marburger Brüder ließen das Vorhaben jedoch zunächst scheitern. |
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1962 [ Nach oben ] |
Gründung der Loge "Jacob de Molay zum flammenden Stern"
Mit dem Namen an die Tradition der in der NS-Zeit untergegangenen Loge anknüpfend, wurde am 29. September 1962 in Nachfolge der Loge "Marc Aurel zum flammenden Stern" die Loge "Jacob de Molay zum flammenden Stern" in Marburg gegründet. Sie vereinigte Freimaurer aus den drei deutschsprachigen Großlogen innerhalb der "Vereinigten Großlogen von Deutschland – Bruderschaft der Freimaurer", also der "Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland", der "Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland" und der "Großen National-Mutterloge ‚Zu den drei Weltkugeln’". Sie soll jungen Männern ermöglichen, als Freimaurer die Rituale der drei deutschen Großlogen kennenzulernen, damit sie sich nach ihrer Ausbildung mit solchen Kenntnissen einer anderen Loge anschließen können. Heute arbeitet sie vor allem in ihren Deputationslogen "Jacob de Molay zum Nordstern" in Hamburg und "Jacob de Molay zum Stern im Süden" in Erlangen; die Deputationsloge "Jacob de Molay zum Stern im Westen" in Aachen ruht zur Zeit, nachdem aus ihr die deutschsprachige Brüsseler Loge "Zur Morgenlandfahrt" hervorgegangen ist. Der rechtliche Sitz der Gesamtloge ist dennoch Marburg geblieben. Als Loge mit speziellem Auftrag ist sie priviligiert und den "Vereinigten Großlogen von Deutschland" unmittelbar unterstellt.
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1983 - 1985 [ Nach oben ] |
Freimaurerischer Zirkel in Marburg
Seit 1979 Jahre gab es erneut intensive Bemühungen um die Wiederaufnahme regulärer freimaurerischer Arbeit in Marburg. Im Jahr 1983 wurde mit tatkräftiger Hilfe von Brüdern der Kasseler Loge "Goethe zur Bruderliebe" und der Gießener Loge "Ludewig zur Treue" ein freimaurerischer Zirkel ins Leben gerufen, in welchem sich in und um Marburg lebende, aber in anderen Logen aufgenommene Brüder regelmäßig zusammenfanden. An der Freimaurerei interessierte Marburger wurden seit diesem Jahr in die Gießener Loge "Ludewig zur Treue" aufgenommen; sie arbeiteten dann im Marburger Zirkel mit und bildeten damit den Grundstock für eine neue Loge in Marburg. Um den Gründungsregularien für eine gerechte und vollkommene Loge Genüge zu tun, wurde der Zirkel 1985 aufgelöst und die Gründung einer Deputationsloge von Brüdern des vormaligen Zirkels vorbereitet. |
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1988 [ Nach oben ] |
Neugründung bzw. Wiedergründung der Loge "Zu den drey Löwen"
Nach der Überwindung zahlreicher organisatorischer Schwierigkeiten, bei denen die Loge "Wilhelm zu den drei Helmen" in Wetzlar den Marburger Brüdern treu zur Seite stand, gibt es seit dem 1. Mai 1988 wieder eine Freimaurerloge in der Stadt an der Lahn mit dem Namen "Zu den drey Löwen", dem Namen der ersten freimaurerischen Bauhütte Marburgs aus dem Jahr 1743, zunächst als Deputationsloge der Wetzlarer Loge, seit dem 1. Mai 1993 als vollkommene und gerechte Johannisloge. Sie hat ihr Konstitutionspatent von der "Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland" im Verbund der "Vereinigten Großlogen von Deutschland – Bruderschaft der Freimaurer" erhalten. Von ihr wird heute die mehr als 260 Jahre alte freimaurerische Kultur in Marburg am Leben erhalten und fortentwickelt.
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